Ob Pompeji oder Carnuntum – eine archäologische Ausgrabungsstätte wird meist erst durch die sachkundige Führung eine*r Expert*in zum informativen Erlebnis. Was aber, wenn wir die Entdeckungstour in den digitalen Raum verlegen und virtuell auf den Spuren der Vergangenheit wandeln? Grund dazu gäbe es genug: Die Pandemie und die Schließung von Kultureinrichtungen haben die Notwendigkeit der Digitalisierung im Kulturbereich besonders deutlich gemacht.
Anforderungen an digitale Strategien
Durch die stetige und mittlerweile alltägliche Auseinandersetzung mit Computern und Smartphone sind die Ansprüche und Erwartungen von Besucher*innen an digitale Unterstützer*innen der Kulturvermittlung zuletzt gewachsen. Vor allem die Betreiber*innen von Kultureinrichtungen und Museen sind angehalten, hier mit hochwertigen Programmen und Inhalten ihre Besucher*innen „abzuholen“. Anwendungen, die nicht reibungslos funktionieren, deren Algorithmen nicht den gewünschten Content ausspielen, werden von den Besucher*innen und nun eben auch User*innen im Handumdrehen deinstalliert. Eine umfassende Zusammenstellung der Faktoren, die das Verweilen von Apps am Handy beeinflussen, hat Wendy Boswell für Intel’s Software Blog und Forbes Online zusammengestellt (in Englisch). Nicht nur an den Inhalten, sondern eben auch an der technischen Ausführung werden sich nun auch digitale Unterstützer*innen von Kultureinrichtungen messen lassen müssen.
Für die Nutzer*innen steht also die Experience im Vordergrund; eine Kombination aus Performance und Content und die Kulturinstitutionen stehen vor der Herausforderung, sich diesem neuen Medienkonsumverhalten anzupassen. Was zur Experience außerdem dazu gehört: plattformübergreifende und multimediale Interaktionsmöglichkeiten. Doch wie begegnet man der Herausforderung, ohne eigene App Developer im Haus und ohne umfassende Einschnitte beim schon über die Jahre ausgedünnten Budget vornehmen zu müssen?
Think bigger. Potentiale und Faszination erkennen
Um die beiden Fragen beantworten zu können, macht es Sinn, Anwendungen und digitale Dienstleistungen nicht als Add-on zum laufenden Betrieb, sondern als integralen Bestandteil in der Kultur- und Wissensvermittlung zu sehen. Schon daran gedacht, das eigene Museum oder ausgewählte Exponate von Minecraft-Architekt*innen nachbauen zu lassen? Im besten Fall ist die Umsetzung gratis und der Outreach enorm. Ein paar Videobeispiele zum Bau von Museen im Minecraft-Universum gibt es hier (in Englisch), hier (in Englisch) und hier (in Deutsch). Selbstverständlich ließen sich auch Custom Images, also die Bilder realer, in Eurem Museum zu besichtigenden Exponate oder Links zu den Beschreibungen in das virtuelle Museum einpflegen. Faszinierend, nicht?
Kleinere Brötchen Backen: ArcheoTales
Einen ganz anderen Weg, nämlich einer bei dem der Fokus auf der Verbindung von digitaler und körperlicher Betätigung steht, beschreitet das Projekt ArcheoDanube. Angesiedelt an der Schnittstelle von Kultur, Tourismus und Archäologie, entwickelt der Verein Sustainication e.V. mit den Softwaregärtnern und OIKOPLUS die App ArcheoTales. Ziel der App ist es, archäologische Funde durch digitale Schnitzeljagden interaktiv zu erkunden. Das Gute daran: die Schnitzeljäger*innen erkunden die Orte, an denen Kulturerbe stattfindet – unabhängig davon ob sich das unmittelbare Objekt der Begierde noch an eben dieser Stelle befindet oder nicht. Das Potential ist groß, wie Thomas Stollenwerk, Geschäftsführer von OIKOPLUS erklärt: „Klassische Ausstellungsformate können anhand digitaler Schnitzeljagden ideal ergänzt werden. ArcheoTales erweitert den traditionellen Museumsbesuch um eine erlebnisorientierte Komponente und lädt die Nutzer:innen zur aktiven Teilnahme ein.”
Außerdem haben die ArcheoTales eine stark dialogische Ausrichtung, denn im Rahmen der interaktiven Schnitzeljagd können Besucher*innen und Kulturstätten in Dialog treten, um Informationen miteinander zu teilen und neue Inhalte zu entwickeln. Dadurch verlagert sich die Rolle der Besucher*innen von passiv-konsumierend hin zu aktiv-partizipierend.
Mit Lucius das Iseum Svarienese erkunden
Getestet wird die App u.a. mit Projektpartnern aus Szombathely, Ungarn. Für den zukünftigen Einsatz im Iseum Savariense (ein Unterinstitut des Savaria-Museums) haben sich die Kurator*innen einen fiktiven Charakter überlegt: Der Tempeldiener Lucius begleitet die Besucher*innen auf eine Entdeckungstour durch das Museum und das anliegende Freigelände. Dabei ermöglichen Quizfragen mitsamt unterschiedlichen Spielelementen wie GPS-Standorten, Bildern und QR-Codes einen individuellen Verlauf für Besucher*innen. So wird aus jeder Schnitzeljagd eine einzigartige Geschichte, ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Szilvia Bíró, ArcheoTales-Kuratorin für das Iseum Savariense, sieht in ArcheoTales einen großen Mehrwert für das Museum: „Neben den klassischen Ausstellungsmethoden ergänzt die App unser Serviceangebot für die Besucher:innen. Mit Hilfe dieser App können Jugendliche und spielfreudige Erwachsene die Highlights unseres Museums ganz einfach selbst entdecken.”
Der digitale Wandel im Kultursektor birgt also Chancen für interaktive Zusammenarbeit und Austausch mit den Besucher*innen. Im digitalen Raum ist vieles möglich und das einzige, das wir nicht möchten, ist von den Smartphones unserer Besucher*innen zu verschwinden. Deshalb knüpft ArcheoTales, im wahrsten Sinne des Wortes spielend an die schon vorhandenen Vermittlungskonzepte an.
Im Apple AppStore findet sich die App hier: https://apps.apple.com/at/app/archeotales/id1631560431
Im Google PlayStore hier: https://play.google.com/store/apps/details?id=org.archeodanube.archeotales&gl=AT
Es gibt außerdem ein Video über die App: https://youtu.be/ftvvHkV5XCk
Autor*innen: Julia Gamper – Sustainication e.V. – ArcheoDanube, Michael Anranter – Oikoplus GmbH
Bildnachweis: © 2022 Sustainication e.V. The graphic was created by Sustainication e.V. based on a photograph provided by the Iseum Savariense.