Kulturtourismus als Motor der Regionalentwicklung

Was macht eine Region, deren wichtigstes Produktionsfeld zusammen bricht? Das oberösterreichische Mühlviertel hat es leidvoll erfahren  – und erfindet sich seit einigen Jahren  mit Hilfe des Kulturtourismus neu.

Die Produktion von Textilien aus Leinen und Wolle hat im Mühlviertel eine lange Tradition, die auf den Flachsanbau seit dem Mittelalter zurückgeht. Textilien und Stoffe  wurden für den Eigenbedarf wie für den Markt  mehr als 400 Jahre bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts gefertigt. Dann begann der Niedergang der Textilindustrie und traf die Region hart: Unternehmen schlossen, die Produktion wurde eingestellt, Fachkenntnisse der Textilherstellung gingen verloren, junge Leute verließen auf der Suche nach Arbeitsplätzen die Region.

Heute spielen Weberhandwerk und Textilerzeugung eine ganz andere Rolle: Ende der neunziger Jahre begann eine kleine Gruppe von engagierten Menschen die Sanierung eines großen Industriekomplexes einer ehemaligen Textilfabrik in der kleinen Stadt Haslach (2.500 Einwohner/innen).  Lokale, regionale und europäische Fördermittel wurden dafür geschickt eingeworben. So wurde die Industriebrache als ein Beispiel der Industriekultur in der Region saniert. Heute beherbergt das Textilzentrum in Haslach fünf verschiedene Institutionen und Unternehmen, die alle mit der Textilgeschichte der Region verbunden sind.

Typische Mühlviertel Leinenstoffmuster

Im Webereimuseum  wird Textilgeschichte lebendig, und an historischen Webstühlen werden die typischen Mühlviertel Leinenstoffmuster gewebt, um als Haushaltstextilien im angeschlossenen Shop verkauft zu werden. Schicke Acessoires von Textil-Designerinnen wie Tücher und Schals finden sich im Shop ebenso. Der Verein „Textile Kultur Haslach“ erhielt im Textilen Zentrum Haslach eigene Werkstatträume, in denen Kurse stattfinden.  Die Manufaktur Haslach ist ein sozialökonomischer Betrieb, der sich auf die Verarbeitung regionaler Schafwolle zu hochwertigen Garnen, Stoffen und Filzprodukten der Marke „alom wolle“ spezialisiert hat. Die Weberei im Textilen Zentrum Haslach versteht sich als kreativer Ort für die kleinserielle Entwicklung hochwertiger Gewebe und textiler Konzepte. In Kooperation mit der Kunstuniversität Linz wird auf den modernen Maschinen der ehemaligen Haslacher Textilfachschule der neue Universitätslehrgang „Shuttle“ angeboten, der sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Gestaltung auf der einen Seite, und maschineller Fertigung und Industrie auf der anderen Seite, bewegt.

Gestanzter Filz und Wollspulen bei Alom

Neben dem Textilen Zentrum Haslach sind auch noch das Museum Mechanische Klangfabrik, Veranstaltungssäle, eine Musikschule, ein Restaurant, sowie verschiedene Firmen und Sozialeinrichtungen auf dem Areal des Textilzentrums untergebracht und profitieren voneinander, denn so lässt sich im Textilzentrum selbst ein Regentag angenehm für die ganze Familie verbringen.

Der jährlich im Juli stattfinden Webermarkt zieht inzwischen rund 10.000 Gäste nach Haslach, um Markt und Weiterbildungsangebote wahrzunehmen. „Zu uns kommen Menschen aus der ganzen Welt“, berichtet stolz der Besitzer der Pension Sunnseitn, für den die Gäste des Textilzentrums gleichermaßen eigene Gäste sind. Und offensichtlich inspiriert die textilaffine Atmosphäre der Region auch zahlreiche kleine Unternehmen wie Sack und Co oder Initiativen wie Mühlviertel Kreativ zu neuem Unternehmertum und marktfähigen Angeboten.

(Unser Titelbild ist fast ein Bilderrätsel – was mag es sein? Was wie ein textiles Kunstobjekt aussieht, sind Fadenreste einer historischen Webmaschine in der Manufaktur Alom)

Flyer: Textiles Zentrum Haslach

Bildnachweise: Kultur und Arbeit e.V.

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