Kulturtourismus nachhaltig denken – Vom antiquarischen Bücherparadies in Belgrad zum Vintage-Chic in Osijek

In den letzten zehn Jahren hat sich das Konzept des „Kulturtourismus“ erheblich weiterentwickelt und spiegelt damit gesellschaftliche Veränderungen und neue Trends bei den Reisepräferenzen wider. Seit der Neudefinition des Begriffs ‚Kulturtourismus‘ durch die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) im Jahr 2017* umfasst er sowohl materielle als auch immaterielle Kulturelemente und ist nicht mehr auf gut ausgebildete, wohlhabende ältere Reisende ausgerichtet, die ausschließlich mit einem Kunstreiseführer in der Hand reisen. Kulturtourismus umfasst nun nicht nur historische Stätten und Denkmäler, sondern auch lebendige Kulturen, Traditionen, Kulinarik und kreative Industrien. Die aktualisierte Definition der UNWTO für Kulturtourismus hebt darauf ab, dass Besucher*innen sich mit lokalen Gemeinschaften im Tourismus engagieren und zur Erhaltung des kulturellen Erbes beitragen. Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen als Querschnittsthema durch umweltfreundliches Reisen, nachhaltig geführte Unterkünfte und ressourcenschonende Aktivitäten an Bedeutung.

Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Engagement

Der Kulturtourismus ist prädestiniert für authentische und nachhaltige Reiseerlebnisse. Dazu passen Reiseangebote, die Recycling, Upcycling und kreative Bildungsangebote beinhalten. Der Workshop zur Erlangung von Kenntnissen im Umgang mit antiquarischen Büchern, Einkaufstouren zu den schönsten Second Hand Läden oder ein Kreativworkshop zur Nachbildung römischen Schmucks sind Beispiele dieses nachhaltigen Reisens. Es geht nicht mehr um das „Abhaken“ von kunsthistorischen Highlights, sondern um das aktive und respektvolle Eintauchen in Themen und Kulturen.

Ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Ansatz ist für den Kulturtourismus von zentraler Bedeutung geworden. Reisende sind sich ihres ökologischen Fußabdrucks und der sozialen Auswirkungen ihres Reiseerlebnisses stärker bewusst. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Aktivitäten, die lokale Gemeinschaften unterstützen, das kulturelle Erbe bewahren und gerechte wirtschaftliche Vorteile fördern. Dieser Wandel hat zur Entwicklung von gemeinschaftsorientierten Tourismusmodellen geführt, die das lokale Wohlergehen berücksichtigen und ihm sogar Vorrang vor reinem wirtschaftlichen Gewinn einräumen. Nachhaltiges Reisen lässt sich zudem auf spannende Weise mit persönlichen Interessen und nachhaltigen Souvenirs verbinden: Es endet nicht bei  entsprechenden Transfers und Übernachtungsmöglichkeiten, auch die Reiseerlebnisse bis hin zu den Souvenirs sind Teil der nachhaltigen Erfahrung. 

Vom Bücherparadies in Belgrad zum Vintage-Chic in Osijek

Nachhaltige Reiseerlebnisse finden sich auch in Destinationen, die vielleicht nicht ganz oben auf der kulturellen Bucketlist stehen. Die serbische Hauptstadt Belgrad wird Buchliebhaber*innen entzücken mit ihrer Fülle an Antiquariaten, Buchhandlungen und Bibliotheken  Die Sprachenvielfalt in den Antiquariaten ist Reminiszenz an die Landesgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts: Neben serbischen Publikationen finden sich ebenso Bücher in den  Minderheitensprachen wie Ungarisch, Bosnisch, Albanisch, Kroatisch und Rumänisch. Die Chancen stehen gut, dass Liebhaber*innen antiquarischer Bücher Preziosen finden wie historische Reisebeschreibungen oder volkskundliche Werke.  In den Belgrader Buchhandlungen wiederum gehört eine reiche Auswahl an englischsprachigen Büchern ganz selbstverständlich zum Bestand.

Kroatien punktet mit der landesweit verorteten Secondhand-Textilkette TEXTILE house und folgt dem Trend zu nachhaltigem Textilrecycling. Zwei Läden in Osijek an der serbisch-kroatischen Grenze bieten beispielsweise eine sorgfältige Sortierung der Kleidungsstücke, und das Angebot reflektiert europäische Textilgeschichte: Vom kreativen Retro-Chic aus den ehemaligen sozialistischen Bruderländern über hochwertige deutsche, englische und französische Marken – textile Schätzchen jenseits des billigen Mainstreams warten auf Entdeckung und Wertschätzung.

Flohmärkte sind schon lange Anziehungspunkte für Liebhaber*innen alter Waren, und so manches schöne Stück bekommt ein neues Leben als nachhaltiges Reisesouvenir. Geradezu legendär sind die großen Flohmärkte in Brüssel, Paris und Wien.  Weniger bekannt mag der Altwarenhandel der Wiener Müllabfuhr sein: Unter dem Label „48er Tandler“ hat es die Wiener Müllabfuhr zu Kultstatus gebracht, und der Verkaufsraum im Stadtteil Margareten ist ein Paradies für Sammler, Liebhaberinnen und Enthusiasten.

*Die so genannte “Muscat Declaration on Tourism and Culture: Fostering Sustainable Development” der UNWTO betonte 2017 erstmals Nachhaltigkeitsaspekte im Kulturtourismus.

(Die Autorin möchte sich an dieser Stelle bei ihren Kolleg*innen im Projekt #RomansWineDanube bedanken, die ihr die Möglichkeit geben, sich mit den kulturtouristischen Besonderheiten ihrer Länder vertraut zu machen.)

Bildnachweise: Pixabay CC

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